Hannelore Brenner – Behindert ist nur der, der sich selbst behindert

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Hannelore Brenner weiß, wovon sie spricht, denn sie hat auch einmal ein Leben ohne Behinderung geführt – und musste nach einem schweren Unfall zurück ins Leben und in den Alltag finden…

Nur Britta Näpel und Hanne Brenner aus dem deutschen Team sind nicht von Geburt an mit Handicap aufgewachsen, was sie von Steffen Zeibig, Lena Weifen, Angelika Trabert und Alina Rosenberg unterscheidet.

Rückblende: 1963 geboren nahm Hanne Brenner seit ihrem 12. Lebensjahr Reitunterricht. Die Pferde werden schnell zu ihrem Lebensinhalt. Sie zeigt auch Talent bei Wettkämpfen und wird Vielseitigkeitsreiterin. Doch dann kommen die Landesmeisterschaften 1986 in Luhmühlen. Hanne reitet in einer großen L-Vielseitigkeit, als ihr Pferd plötzlich auf der Strecke unsicher wird und stutzt.

Hanne treibt es jedoch zum drittletzten Hindernis, einem schwierigen Tiefsprung, hin – es springt ab, bleibt hängen, überschlägt sich und fällt direkt auf die Reiterin. Angesichts des unheimlich schweren Unfalls kann man sagen, dass Hanne mit einer Querschnittslähmung sogar noch „Glück gehabt“ hat. Doch das ist natürlich kurz nach einem solchen Unfall ein schwacher Trost: „Damals war ich viel zu beschäftigt, meine Identität neu zu finden und auszuloten, was kann man eigentlich noch machen mit so einem Handicap und was nicht. Diese Erkenntnis, dass eine Einschränkung im Leben ihren Ursprung in einem selbst hat und dass man ganz allein dafür verantwortlich ist, welche Grenzen man annimmt und welche nicht, kam erst im Laufe der Jahre. Es gibt natürlich Dinge, die ich nicht mehr machen kann, aber es gibt viel mehr Dinge, die ich machen kann. Und das wurde mir und wird mir immer noch bewusster, sodass das Leben nach wie vor Spaß macht.“

Jahrelang reitet Hanne aber nur in der Freizeit auf dem Pferd einer Freundin, vielmehr widmet sie sich ab 1989 ihrem Studium, ging aus dem hohen Norden (Lüneburg) nach Heidelberg. In Rheinland-Pfalz ist sie dann auch geblieben – zunächst arbeitete sie viele Jahre als Softwareentwicklerin, dann für Lotto Rheinland-Pfalz, einen der größten Förderer der Paralympics-Reiter in Deutschland. Ich habe das Riesenglück, seit vier Jahren mit Lotto Rheinland-Pfalz einen Arbeitgeber gefunden zu haben, der nicht nur der größte Sportsponsor des Landes ist, sondern mich mit allen möglichen Mitteln wie Freistellungen etc. unterstützt.

Ab 1997 besitzt Hanne Brenner wieder ein eigenes Pferd: Geronimo. Das Turnierfieber packt sie – alles geht rasend schnell. Und 1999 ist sie bereits Weltmeisterin der Behinderten-Reiter. Bei den Paralympics in Sydney 2000 reicht es zu Platz 4, in Athen 2004 ist es schon zwei Mal Silber. Der größte Erfolg kommt in Hongkong 2008: Mit zwei Goldmedaillen und einmal Silber mit dem Team reist Hanne Brenner überglücklich nach Hause. Noch heute bezeichnet sie dies als den größten Triumph ihrer Karriere: „Den höchsten Stellenwert haben die beiden Goldmedaillen in Hongkong 2008. Das wunderschöne Stadion und die unbeschreibliche Stimmung waren etwas ganz besonderes. Meine Stute hat sich selbst übertroffen. Sie nahm die Spannung auf und wandelte sie in Ausdruck um. Für mich war die Kür ein „Ritt auf dem Vulkan“, aber es war unvergesslich!“

Aber auch die Weltmeisterschaft in Kentucky 2010 wird Hanne nie vergessen: Auch dort gab es zwei Mal Gold im Einzel und Team-Silber. Besonders wichtig ist Hanne Kentucky, weil dort die Behindertenreiter zusammen mit den Nicht-Behinderten bei einer gemeinsamen WM starten durften: „Ein historischer Schritt in Richtung Integration!“

Stets ihre Partnerin bei den letzten großen Turnieren (Olympia und WM) war Women of the World“, eine mittlerweile 17-jährige Hannoveraner-Stute, die als das vielleicht beste Paralympics-Pferd bezeichnet wird. „Women of the World ist ein Pferd, das man nicht zwingen kann. Sie ist von sich aus bereit, alles zu geben, aber sie muss auch verstehen, was man von ihr will. Ich glaube, dass gerade unsere Kommunikation und unser gegenseitiges Verständnis die Harmonie ausmachen. So habe ich es auch noch nie mit einem anderen Pferd erlebt. Sie kann mich „lesen“ und ich kann sie „lesen“. Doch bei all diesem Glücksgefühl fehlt manchmal immer noch die finanzielle Unterstützung: Ein Paralympics-Reiter als Profi – kaum denkbar! Es ist nicht so, dass ich nach so großen Erfolgen wie der WM in Kentucky oder wie 2008 nach Hongkong von Firmen angesprochen werde. Wir müssen den Weg umkehren und auf die Firmen zugehen. Immerhin ist die Unterstützung jedoch in den vergangenen Jahren besser geworden. Doch auch in der paralympischen Familie gilt Dressur leider als Randsportart, die wenig gefördert wird. Doch Hannelore Brenner freut sich auch über die vermehrte Berichterstattung der Medien. Früher fanden die Championate praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Doch bei den letzten Paralympics und vor allem auch der WM in Kentucky wurde das anders. Ein Schritt nach vorne…

Einen besonderen Erfolg konnte Hanne übrigens auch 2011 feiern, als sie eine S-Dressur im Regelsport gewann. Ein persönlicher Triumph, den sie unbedingt verwirklichen wollte. Doch wie schaut es eigentlich aus, wenn Hannelore Brenner im Sattel sitzt? „Ich habe spezielle Steigbügel, die ich nicht verlieren kann und ich habe einen gut passenden Sattel von Kieffer. Ich kann meine schwächeren Beine mit zwei Gerten kompensieren, muss es aber ganz oft gar nicht. Meine Stute versteht mich auch ohne oder nur mit einer Gerte. Sonst ist mein Training ganz genauso wie bei jemanden ohne Handicap. Im Gegenteil, ich möchte gar nicht anders behandelt werden. Wichtig ist lediglich, dass das Pferd die Kommandos versteht. Und Dorte sagt mir häufiger: „Mach nicht so viel Druck mit den Beinen“. Damit hat sie vollkommen recht. Ein Pferd braucht nur einen Impuls, keinen Druck. “Und den kann ich geben.“

Dorte, das ist Dorte Christensen, Hannelore Brenners Lebenspartnerin, die sie auch als Trainerin betreut. Aber auch mal von den Pferden loslassen können ist wichtig. Wir lieben es, zusammen zu kochen und dann gemütlich bei Kerzenschein zu essen. Ansonsten finde ich unsere beiden Hunde einfach genial und alles, was mit ihnen zusammenhängt. Wir verbringen viel Zeit mit unseren Tieren. Hannelore Brenner startet für Deutschland bei der Europameisterschaft 2013 in Herning, Dänemark.

Im Sommer 2012 ging es für Hannelore und die Stute nach London zu den Paralympics: Chancen auf Gold hatten Hanne und Women of the World dort erneut – und tatsächlich, es hat geklappt. Mehr zu den Ergebnissen in unserem Abschlussbericht der Paralympics 2012.

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